Im Mahayana werden genau dieselben Lehren des Buddha vertreten wie
schon im Shravakayana. Zusätzlich noch arbeitet man je nach Schule unterschiedlich mit der Philosophie des so genannten Mittleren Weges
und dem Verweis auf ein Nichtexistentes Selbst in allen Phänomenen. Dieses Nichtselbst gilt zwar auch im Kleinen Fahrzeug, nicht jedoch in der Form, dass so eindeutig auch mit dem Begriff "Leerheit" gearbeitet wird. Mit Leerheit wird hier das abhängige Entstehen der Phänomene bezeichnet.
Zudem gibt es noch die Sicht der "Nur-Geist" Schule, die davon ausgeht,
dass alle wahrgenommenen Dinge nur abhängig von dem Geist erfahren
werden, nicht andersherum.
Darüber hinaus ist die Motivation für den Praktizierenden eine völlig andere
als im Kleinen Fahrzeug. Es steht dabei der Gedanke im Vordergrund, nicht für
sich allein die Befreiung aus dem Leiden zu erlangen. Man ist sich vor
allem bewusst (oder versucht sich, dieses zuerst bewusst zumachen),
dass alle fühlenden Wesen ebenfalls im Leidengefangen sind und man
sieht es als große Aufgabe, sich so zu entwickeln, dass man diesen anderen Wesen von Nutzen sein kann.
Ziel ist es...
...ein so genannter „Bodhisattva“ zu werden; ein Lebewesen, dass
sich freiwillig in den Kreislauf des Leidens begibt, um anderen zu helfen.
Im Mahayana steht also mehr die rechte Motivation im Vordergrund des eigenen Handelns und Redens als das Festhalten an Regeln.
Im Mahayana kann man also auch als Familienmensch, im Beruf und im
Alltag Methoden der Befreiung anwenden und ist nicht gebunden an ein mönchisches Leben. Was dies allerdings nicht ausschließt, gilt der Status
als Mönch auch hier als ein vortreffliches Mittel, den Ablenkungen
Samsaras (dem Kreislauf der Existenzen) besser zu widerstehen.
Die oben abgebildeten Bodhisattvas zählen zu den so genannten trans-
zendenten Bodhisattvas, die von tibetischen Buddhisten sehr gern verehrt werden.
Sie stehen für das vollständig erleuchtete Potential eines jeden fühlenden
Wesens, zu ihnen gehören auch spezifische "Mantras".
Der Weg des Bodhisattva
Im Mittelpunkt dieser Übung steht der "Erleuchtungsgeist" (Bodhicitta). Es
ist das bewusste Streben nach Erleuchtung zum Wohle aller Wesen. Man verpflichtet sich mit einem Gelübde, so lange auf die eigene Erleuchtung zu verzichten, bis alle Wesen vom Leiden erlöst sind.
Dabei geht es um zwei Arten des Bodhicitta: Das relative und das absolute.
Beim relativen geht es um vier Geisteshaltungen.
- Liebende Güte zu allen Wesen
- Mitgefühl für allen Wesen
- Mitfreude am Glück und verdienstvollen Handeln anderer
- Gleichmut, frei von Anhaftung oder Abneigung
Diese vier Wünsche gibt es, das wird allerdings von den Mahayana Vertretern gern verschwiegen, auch schon im Kleinen Fahrzeug.
Die Vervollständigung des Erleuchtungsgeistes allerdings erlangt man durch die sechs Vollkommenheiten (Paramitas) von:
- Freigebigkeit
- Geduld
- Ethisches Handeln
- Freudige Anstrengung
- Meditation
- Weisheit
Das "absolute" Bodhicitta dann ist die Einsicht in die wahre Natur, in die Leer- heit der Dinge. Das Leersein von einem eigenständig, unabhängigen und dauer-
haftem Existieren der Phänomene.
Sichtweise - Das zweite Drehen des Rades
Im so genannten "Zweiten Drehen des Rades", wie es in der Sprache des
Mahayana bezeichnet wird, soll der Buddha die Lehre der "Leerheit", Shunyata, dargelegt haben. Dabei geht es nicht um ein Nichts.
Sondern schlicht um die Tatsache, dass wirklich nichts einfach so tatsächlich existent ist, wie wir das denken. Sondern nur im abhängigen Entstehen.
Je nach Fähigkeit der Leute haben sich dann weitere Sichtweisen entwickelt,
die dem Madyamika, dem mittleren Weg, der vor allem von Nagarjuna gelehrt
wurde oder aber der "Nur-Geist Schule" von Asanga entsprechen.
Nagarjuna und Asanga - Wegweiser und Meister
Nagarjuna
Der bekannteste buddhistische Philosoph, der die Leerheit in seiner ganzen
Tiefe ergründete und ganze Werke über diese geschrieben hat, die bis heute
ihren Einfluss auf Menschen haben, ist der indische Gelehrte Nagarjuna. Er
lebte etwa im zweiten Jahrhundert und stellte eine radikal logische heran-
gehensweise an die Lehre Buddhas in den Vordergrund, in dem er die Aus-
sagen des Buddha weiterführte und zu ihrer letztlichen Erfüllung brachte.
Einer seiner schönsten Sätze, der alles beinhaltet, was es eigentlich zu
sagen gibt ist:
Nirgends und niemals findet man Dinge,
entstanden aus sich, aus anderem,
aus sich und anderem zusammen,
oder gar aus keinem Grund.
Asanga
Eine etwas andere Herangehensweise, nichts desto trotz ebenso bedeutend,
machte Asanga (etwa 4. Jahrhundert), ebenfalls ein indischer Philosoph und
Meister der Meditation. Alles Wahrnehmbare ist nach seiner Aussage
geistigen Ursprungs, die Welt eine Erfahrung, die nur im Bewusstsein und
im Denken besteht.
Die Befreiung aus dem Kreislauf des Leidens, der hiernach ja nur im eigenen Denken geschieht, liegt darin, alles als Produkt des Geistes zu erkennen.